Freitag, 7. Dezember 2012

'artgerechtes behandelt werden' Teil 6: Im Baumarkt

Schon beim Betreten der riesigen Einkaufshalle strömt einem ein intensiver Geruch von Holz, Kupfer, Ölfarbe und sämtlichen Lacken in die Nase. Die Regale sind geschätzte zehn Meter hoch und die Gänge dazwischen könnte man locker mit einem Kleinwagen bewältigen. Zudem stelle ich keinen großen Temperaturunterschied von der Außen- zur Innentemperatur fest und das obwohl bereits Dezember ist und Schnee liegt.
Dass man als Frau auch im 21. Jahrhundert noch eine Ausnahme im Baumarkt ist, wird schon auf den ersten Blick klar: egal wo man hinblickt, überall nur Männer. Da stehen Vater und Sohn bei den Werkzeugkästen, ein circa dreißigjähriger Mann unterhält sich mit einem Fachmann über die Qualität der Wandfarben und ein grauhaariger Rentner betrachtet in aller Ruhe die Auswahl der Terrakottafliesen. Mal abgesehen vom 'Pflanzenparadies' im Außenbereich, begegnen mir während meines ganzen Aufenthalts nur ungefähr vier weitere Frauen, von denen jedoch drei in Begleitung einer männlichen Person sind. Da ich meine Leidenschaft am Heimwerken vor kurzem entdeckt habe und deshalb in einer Woche auch schon bis zu dreimal diverse Baumärkte besucht habe, bin ich mir ziemlich sicher, dass die oben beschriebenen Situationen keine Ausnahmen sein können.
Die Reaktionen der Männer, die einer Frau begegnen, die alleine in einem Baumarkt einkauft, fallen jedoch meist ziemlich ähnlich aus. Grundsätzlich kann man zwei Typen (inklusive Angestellten) in diesem Terrain unterscheiden: auf der einen Seite gibt es diejenigen, die einem schon dabei behilflich sein wollen, das 1-Euro-Stück in den Einkaufswagen zu stecken und einen anschließend durch den gesamten Baumarkt begleiten, einen beraten und die schweren wie auch leichten Dinge in den Einkaufswagen räumen. Egal ob man will oder nicht, behandeln sie einen wie ein kleines, zerbrechliches Wesen, das schon beim bloßen Anblick eines Hammers zusammenzubrechen droht. Fühlt man sich zu Beginn durchaus noch geschmeichelt von so viel Hifsbereitschaft und es zudem auch tatsächlich Dinge gibt, die alleine kaum zu tragen sind, weicht dieses Gefühl spätestens beim zweiten Besuch dem Gefühl der Unterbemitteltheit, da man mit einem leichten Seitenhieb auch irgendwie immer vermittelt bekommt, dass man etwas zu blöd für das 'Erlebnis Baumarkt' ist und den Einkauf gar nicht alleine bewältigen kann.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch diejenigen, die einem schon verächtliche Blicke zuwerfen, sobald man nur den Eingangsbereich betritt und sich anschließend darüber lustig machen, wenn man sich tatsächlich etwas schwer tut, einen 40 Liter-Eimer Farbe aus dem Regal zu holen. Hilfe braucht man hier nicht zu erwarten, da man als Eindringling in fremdes Gebiet gilt. In zweiterem Fall fühlt man sich nicht nur unterbemittelt, sondern auch tatsächlich nach einiger Zeit etwas fehl am Platz, was ich sehr verstörend finde, da dies ja eigentlich ein Ort ist, zu dem der Zutritt jeder Personder gestattet ist.
Natütlich gehe ich weiterhin noch in verschiedene Baumärkte, dennoch ärgert es mich, beziehungsweise frage ich mich eher, wie es manche Personen auf leichteste Art und Weise schaffen einem das Gefühl des Unerwünschtseins zu vermitteln. Denn egal wie sehr man es sich auch vornimmt von solchen Menschen unbeeindruckt zu bleiben, genügt manchmal tatsächlich schon deren bloße Anwesenheit um sich unwohl zu fühlen. Denn selbst wenn keine blöden Sprüche fallen, einem niemand belustigenden Blicke zuwirft, oder auf Schritt und Tritt verfolgt und man eigentlich ganz ungestört einkaufen könnte, scheint da doch etwas Unsichtbares zu sein, was einem ein unwohles Gefühl gibt, das besagt, dass man hier eigentlich nicht sein sollte.

artgerechtes behandelt werden

Eine Person - verschiedene Arten des behandelt werdens

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